Autonom fahrende Fahrzeuge aus der Sicht eines Data Scientist

von | 6. August 2019 | Grundlagen

Autonom fahrende Fahrzeuge sind ein zentraler Bestandteil der Mobilität der Zukunft. Wie sehen die konkreten Einsatzszenarien aus und wie funktionieren autonom fahrende Fahrzeuge aus Data-Science-Perspektive? Dieser Blog-Artikel ist ein Deep Dive in die Materie und zeigt alle Facetten des technisch Möglichen auf.

Angenommen ich möchte in ca. 10 – 15 Jahren von zu Hause aus auf die Geburtstagsparty meiner Freundin Katja fahren, dann könnte dies folgendermaßen ausschauen:

Im Vorfeld telefoniere ich mit meinem Freund Max, der von etwas weiter weg ebenfalls zu der Party kommen möchte. Da sich unsere Strecken zum Teil überschneide, möchten wir diesen Teil der Stecke gemeinsam fahren. Um das zu planen binden wir unsere Kognitiven AI Agenten in das Gespräch mit ein. Beide schlagen uns die Fahrt mit einem autonom fahrenden Robotaxi vor und identifizieren auch den Bereich, in dem wir uns am besten treffen, um die Fahrt gemeinsam fortzusetzen. Da wir den Zeitpunkt genau kennen, können wir das Robotaxi zu einem günstigeren Tarif schon vorab buchen und die Bezahlung direkt über den AI Agenten abwickeln.

Als nächstes besprechen wir, was wir unserem Freund schenken und nachdem wir uns geeinigt haben, bestelle ich das Geschenk. Da das Geschäft automatische Lieferungen unterstützt, füge ich das Geschenk meiner Robotaxi Buchung hinzu, so dass das Robotaxi das Geschenk bei einer anderen Fahrt in der Nähe des Geschäfts im Vorfeld abholen kann.

Am Tag der Party kommt das autonom fahrende Robotaxi zum bestellten Zeitpunkt und erkennt mich an meinem Gesicht, so dass ich einfach direkt einsteigen kann. Während der Fahrt mache ich ein kurzes Nickerchen, wozu ich die Scheiben verdunkle und den Sitz in eine Schlafposition bringe. Max musste seinen Arbeitsplatz frühzeitig verlassen, um pünktlich zur Feier zu kommen. Daher setzt er seine Arbeit fort, während er in seinem Robotaxi zu unserem Treffpunkt fährt.

Aufgrund einer unvorhergesehenen Straßensperre muss mein Robotaxi einen kleinen Umweg fahren. Unsere Robotaxis tauschen diese Information aus und legen einen neuen Treffpunkt fest, an dem wir beide fast zeitgleich ankommen. Auf der gemeinsamen Fahrt zu unserem Ziel spielen wir Karten und naschen schon etwas von den Snacks, die ich gebacken habe.

Nachdem wir ausgestiegen sind und das Geschenk aus dem Auto geholt haben, fährt dieses weiter zum nächsten Kunden oder zur nächsten Ladestation. Für die Heimfahrt haben wir noch keine Fahrt gebucht, denn man weiß ja nie, wie lange die Party geht und die Wartezeit auf ein freies Robotaxi beträgt in der Regel unter 15 Minuten.

Ist das beschriebene Szenario und autonom fahrende Fahrzeuge realistisch oder nur eine Spinnerei? Das wollen wir im Folgendem genauer untersuchen untersuchen und die Frage aus einer Data-Science-Perspektive bewerten.

Breakdown aus der Sicht eines Data Scientists

Aus der Sicht eines Data Scientist stellen autonom fahrende Fahrzeuge  große fahrende Computer dar.  Als solche sind sie mit dem Internet verbunden und können Personen oder Gegenstände transportieren. Die Story aus der Einleitung reißt viele Themen an, die nun etwas genauer methodisch und technologisch analysiert und dargestellt werden.

Kognitive AI Agenten sind lernende Chatbots, die mehr können als sich nur mit den Mitfahrenden zu unterhalten

Der kognitive AI Agent stellt letztlich einen Chat- oder Sprachroboter dar, der durch künstliche Intelligenz eine menschliche Konversation ermöglicht. Aufbauend auf Basiskonversationsdialogen und Natural Language Processing (NLP) lernt er durch die geführten Dialoge konstant hinzu. Mittels Deep Learning und Reinforcement Learning Methoden kann er sowohl auf historischen als auch aktuellen Kontext in einer Konversation reagieren und sich an bisher unbekannte Situationen anpassen.

Im vorgestellten Beispiel führt der kognitive AI Agent eine Mobilitätsoptimierung durch, indem er verschiedene Mobilitätsanbieter mit dem gegebenen Kontext aus Datum, Abfahrtszeit, Ziel und der Bedingung ein Teil des Weges gemeinsam zu fahren anfragt. Die beste Lösung aus den Vorschlägen kann er direkt bei dem Anbieter buchen.

Gesichtserkennung und biometrische Erkennung werden zum Standard in autonom fahrenden Fahrzeugen

Die Identifikation durch biometrische Charakteristika wird in Zukunft noch stark zunehmen und kann Konzepte wie Passwörter oder auch Schlüssel ersetzen. Den Durchbruch verdankt die biometrische Erkennung dem technologischen Fortschritt, der es ermöglicht biometrische Charakteristika mit vertretbarem Aufwand und in sehr hoher Qualität zu erfassen und auszuwerten.

Das Robotaxi identifiziert mich in dem Beispiel durch die Anwendung eines Gesichtserkennungsalgorithmus. Dieser kann die Bilder der Kameras nutzen, die das autonom fahrende Fahrzeug ohnehin für die Navigation benötigt. Durch diese Identifikation benötigt man keinen Schlüssel mehr für den Zugang zum Auto und die Abrechnung der Fahrzeit kann sicher und automatisch erfolgen.

Elektrische autonom fahrende Fahrzeuge sind große, fahrende Computer

Das Auto der Zukunft ist im Grund ein riesiger fahrender Computer, der mit großer Rechenleistung ausgestattet ist. Denn damit das Auto autonom fahren kann, muss es jederzeit in der Lage sein, sich durch das Auslesen von Kameras, Radar oder Lidar-Sensoren ein Bild seiner Umwelt machen zu können. Die anfallenden Daten müssen verarbeitet und den Aktoren in Lenkung, Motorsteuerung oder Bremsen in der benötigten Form bereitgestellt werden, um notwendige Regelungen ausführen zu können.

In der Implementierung werden hierfür verschiedene Machine Learning und Filter Methoden eingesetzt, die mit neuen Daten immer wieder optimiert und kalibriert werden. Für diese Aktualisierungen ist es notwendig, dass zukünftige Fahrzeuge erstens in der Lage sind größere Mengen an Daten zu speichern und an ein Backend zu schicken und zweitens die Möglichkeit haben Software zu aktualisieren. Speziell für den zweiten Punkt ist es wichtig, dass Hardware und Software stärker separiert sind.

Auch die Hardware sollte modularer aufgebaut sein, damit ein Upgrade der Rechenpower oder des Speicherplatzes für Daten im Nachgang möglich ist. Die Übertragung von größeren Datenmengen, z.B. von Situationen in denen eine Anomalie detektiert wurde, kann während des Ladevorgangs der Batterie entweder über eine WiFi-Verbindung oder auch über ein entsprechend ausgestattetes Stromkabel geschehen. Insgesamt ist die Kommunikation des Autos mit anderen Teilnehmern sehr wichtig und man kann hier grob in drei Domänen unterscheiden.

  1. Die Remote-Domäne
    Die Remote-Domäne verfügt über ein zentrales Backend für die mobile Übertragung von kleineren Datenmengen und wichtigen Security Updates. Über diesen Weg werden auch aktuelle Verkehrsmeldungen ausgetauscht, wie die Straßensperre im obigen Beispiel. Das Backend empfängt ebenfalls die größeren Datenströme, die über WiFi von dem Fahrzeug gesendet werden und sendet zum Beispiel größere Updates nur an das Fahrzeug, wenn eine WiFi Verbindung besteht.
  2. Die lokale Ad-hoc-Domäne
    Innerhalb dieserAd-hoc-Domäne findet die Kommunikation mit der unmittelbaren Umgebung statt, also die Kommunikation zwischen dem autonom fahrenden Fahrzeug und den Verkehrsteilnehmern in einem bestimmten Umkreis. Hierfür wurde von den Automobilherstellern ein gemeinsamer WiFi Standard definiert, der für den Datenaustausch genutzt wird. Auf diesem Weg können Fahrzeuge lokal ihre Geschwindigkeiten, Ziele und falls nötig Warnmeldungen austauschen. Dadurch benötigt man keine Ampeln mehr für Autos an Kreuzungen. Außerdem gibt es deutlich weniger Staus, da Geschwindigkeiten rechtzeitig angepasst werden und auf der Autobahn können Fahrzeuge in Kolonnen zusammengefasst werden, um den Luftwiderstand zu reduzieren.
  3. Die Domäne im Fahrzeug selbst
    Innerhalb der Fahrzeugdomäne können Geräte über Bluetooth, NFC oder WiFi verbunden werden. Da das Fahrzeuginnere sich flexibel nach den Wünschen des Fahrers konfigurieren lässt, ist es beispielsweise möglich eine entsprechende Konfiguration an das Fahrzeug zu übertragen. Ein weiteres Beispiel ist die Freischaltung von Entertainmentprogrammen indem die benötigten Daten für die Fahrt an das Auto übertragen werden.

Ein Robotaxi kommt selten allein – Die Robotaxi Flotte

Das Flottenmanagement der Robotaxis basiert auf Data Science Use Cases. Am wichtigsten ist die Flottenoptimierung in Bezug auf die Verfügbarkeit und Wartezeit der Kunden bei optimaler Auslastung der Flotte. Hierfür werden mit historischen Nutzungsdaten, wie dem Wochentag, der Uhrzeit, dem Einfluss von Großereignissen, dem Wetter, sowie dem Start- und Endpunkt einer Buchung, Machine Learning Modelle trainiert, die anschließend für die Vorhersage der erwarteten Nachfragen genutzt werden.

Auf diese Art und Weise verteilen sich autonom fahrende Fahrzeuge der Flotte je nach Tageszeit und Nutzungshistorie optimal in der Stadt, um die Wartezeiten der Fahrgäste zu minimieren. Außerdem fahren die autonom fahrenden Fahrzeuge zum optimalen Zeitpunkt freie Ladestationen selbstständig an, um bei hohem Verkehrsaufkommen in jedem Fall verfügbar zu sein. Genauso verhält es sich mit der Wartung der Fahrzeuge.

Durch Predictive Maintenance werden sie rund um die Uhr überwacht und sich ankündigende technische Probleme rechtzeitig erkannt, so dass zu einer passenden Zeit eine Wartung durchgeführt werden kann. Auch für Predictive Maintenance werden wiederum Machine Learning Methoden verwendet, die durch Training auf historischen Daten entweder eindeutige Fehlerbilder oder Anomalien im Betriebszustand des Autos identifizieren.

Was ist davon heute schon möglich?

Viele Punkte sind heute schon in Bezug auf das Connected Car umgesetzt, bzw. werden in der nahen Zukunft umgesetzt werden. Für Tesla Fahrzeuge ist autonomes Fahren heute in bestimmten Situationen schon möglich. Viele weitere Automobilhersteller testen gerade Systeme auf den dafür freigegebenen Strecken, um künftig autonom fahrende Fahrzeuge anbieten zu können.

Ebenso hat Uber mehrere Initiativen gestartet, um autonom fahrende Fahrzeuge in Großstädten in den USA für Taxi Dienste einzusetzen. In den nächsten 5 bis 10 Jahren werden autonom fahrende Fahrzeuge dann in großer Serie auf die Straße kommen. Eine gute Betrachtung zum aktuellen Stand des Connected Car finden Sie hier.

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