Der stationäre Handel als Profiteur von Machine Learning

von | 18. April 2019 | Grundlagen

Der stationäre Handel könnte der Gewinner von den Entwicklungen im Bereich Machine Learning oder allgemein von Künstlicher Intelligenz sein. Erfahren Sie in diesem Blog-Artikel, warum und wie gerade der Stationäre Handel von der Digitalisierung und Data-Science-Lösungen profitieren kann.

Totgesagte leben bekanntlich länger. Mit dem wachsenden Erfolg der großen E-Commerce-Händler wurde in den letzten Jahren schon oft das Ende des stationären Handels beschworen. Zwei interessante Entwicklungen weisen jedoch darauf hin, dass das Gegenteil der Fall ist. Einerseits verfügen immer mehr Händler über einen eigenen Online-Store. Andererseits eröffnen inzwischen sogar Online-Retailer wie Amazon lokale Filialen. Die Kunden des Online-Riesen sollen im stationären Handel die gleichen Vorteile genießen wie im Online-Store.

Der stationäre Handel nutzt das enorme Potential der Digitalisierung bislang noch nicht

Ähnlich wie Amazon es mit diesem Projekt vormacht, könnte der stationäre Handel in vielerlei Hinsicht von den Vorteilen der Digitalisierung und Data-Science-Methoden profitieren. Im Moment werden jedoch Methoden wie Deep Learning bzw. Machine Learning im stationären Handel erst sehr selten eingesetzt.

Das Prinzip von Machine Learning und dessen Potential für den stationären Handel

Machine Learning ist eine Data-Science-Methode, die es Algorithmen ermöglicht, sich selbst zu optimieren. Gerade diese Lernfähigkeit ist besonders für Anwendungsfälle im stationären Handel hilfreich. Nehmen wir zum Beispiel ein Handelsunternehmen, das mit verderblichen Gütern oder anderen Fast Moving Consumer Goods handelt.

Linktipp: In unserem Artikel zum Thema KI-Marketing erklären wir, wie KI Unternehmen dabei hilft, Kundenbedürfnisse besser vorherzusagen oder das Serviceangebot zu verbessern.

Bei dieser Gruppe von Waren ist es entscheidend, den exakten Bedarf und die voraussichtlich benötigten Lagerbestände so genau wie möglich abzuschätzen. Verderbliche Güter, die nicht verkauft werden können, mindern den Gewinn. Machine Learning hilft im stationären Handel dabei, Abschreibungen zu reduzieren.

Das gelingt, indem die voraussichtliche Nachfrage in Abhängigkeit von Faktoren wie Wetter und Temperatur, früheren Absätzen und Gewinnmargen berechnet wird. Da Machine-Learning-Algorithmen aus Erfahrung lernen, wird ihre Vorhersagegenauigkeit im Lauf der Zeit sogar immer besser.

4 Kernbereiche für Machine Learning
4 Kernbereiche für Machine Learning

Lesetipp: In diesem Artikel erklären wir die grundlegende Funktionsweise von Machine Learning.

So funktioniert die Optimierung von Lagerraum mit Predictive Analytics

Nicht nur die Prognose der exakt benötigten Menge bei verderblichen Waren ist eine Herausforderung. Ganz generell sind zu große Bestandsmengen an Waren problematisch. Insbesondere bei Artikeln, die nur wenig an Umsatz und Gewinn bringen, aber teuer gelagert werden müssen, gilt es, den Bedarf so genau wie möglich zu berechnen.

Der verfügbare Lagerraum muss so effizient wie möglich genutzt werden. Große Warenmengen, die nur wenig Gewinn bringen, nehmen rentableren Waren unnötig Platz weg. Gleichzeitig orientiert sich der Einkaufspreis an der Menge der bestellten Ware.

Auch weil Kunden erwarten, dass Waren in ausreichender Menge verfügbar sind, dürfen die bestellten Mengen nicht zu gering sein. Darüber hinaus sollte die Ware im Idealfall nicht ausgehen, da der stationäre Handel seine Kunden ansonsten im schlimmsten Fall an die Wettbewerber verliert. Die Herausforderung besteht also darin, ein optimales Verhältnis von Warenmenge, Nutzung von Lagerraum, voraussichtlicher Nachfrage und Gewinnmargen zu ermitteln – eine ideale Optimierungsaufgabe für Machine-Learning-Algorithmen.

Linktipp: Sie wollen tiefer in die Thematik einsteigen? Verschaffen Sie sich hier einen Überblick über die verschiedenen Machine-Learning-Methoden.

Tante Emma 2.0: Individualisierung der Customer Journey

Der stationäre Handel hat einen Heimvorteil, den er bereits seit vielen Jahren nicht mehr nutzt. Früher war der persönliche Kontakt im sogenannten Tante-Emma-Laden ein wichtiger Teil des Einkaufserlebnisses. Im digitalen Zeitalter werden die persönliche Note und die Konzentration auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden wieder zentral. Der stationäre Handel kann gerade durch die Individualisierung und Personalisierung der Customer Journey wiederbelebt werden und an Attraktivität gewinnen.

Durch die Vernetzung der Dinge (Internet of Things), digitale Preisschilder, RFID-Sensoren und mobiles Internet sind der Personalisierung der Customer Journey kaum Grenzen gesetzt. Verfügt ein Kunde beispielsweise über eine App von einem Händler, lassen sich anhand von bisherigen Präferenzen oder Bonus-Punkten individuelle Angebote erstellen und in Echtzeit übermitteln. Produkte könnten sogar automatisch eine Nachricht mit einem Angebot auslösen und an Kunden schicken, die gerade in der Nähe sind. Machine Learning trägt dazu einen entscheidenden Anteil, weil die Preise und Angebote maßgeschneidert kalkuliert werden können.

KI-Pricing: Preisoptimierung im stationären Handel

Kunden sind seit Jahren daran gewöhnt, dass Benzinpreise mitunter stark schwanken und sich sogar mehrfach am Tag ändern können. Auch im Online-Handel lässt sich diese Erfahrung machen. Preise für ein Hotel oder einen Flug können sich unterscheiden je nachdem, ob die Suche über ein iPhone oder ein Android-System durchgeführt wird. Um den optimalen Preis für seine Waren zu erzielen, passt der Online-Riese Amazon seine Preise weltweit viele Millionen Mal pro Tag an. Auch der stationäre Handel kann von solchen Anpassungen profitieren.

Der optimale Preis hängt von vielen Faktoren ab

Welcher Artikel für welchen Preis verkauft wird, hängt von vielen Faktoren ab. Der Wert von bestimmten Waren wie beispielsweise Mode-Artikeln ist stark von den aktuellen Trends, der Jahreszeit und dem persönlichen Geschmack abhängig. Der Preis anderer Waren wird in Abhängigkeit von Lagerbeständen, Verfügbarkeit, Preis an den Weltmärkten oder lokaler Nachfrage kalkuliert.

Um Preise beispielsweise über ein KI-Pricing-Tool flexibel zu gestalten, lassen sich die Machine-Learning-Algorithmen so trainieren, dass sie alle relevanten Faktoren einbeziehen und wenn nötig die Preise minutengenau kalkulieren. Je besser der stationäre Handel seine Kunden kennt, desto einfacher ist es, individuelle Preise und Angebote weiterzugeben.

Modell-AI-ML-DL
© [at]

Bessere, automatisierte Entscheidungen und optimale Planung durch ML

Die konkreten Use Cases wie Preisoptimierung, Lagerraumoptimierung und Personalisierung der Customer Journey zeigen, dass Machine Learning im stationären Handel generell zu einer Verbesserung der Qualität von Entscheidungen führt. Dabei können komplexe Zusammenhänge berücksichtigt werden – wenn nötig auf die Minute genau. Insofern stellt Machine Learning auch keine Bedrohung für bestehende Jobs dar, weil hier Bereiche erschlossen werden, die es vormals in dieser Form noch nicht gab. Der stationäre Handel profitiert in mehrerlei Hinsicht:

  • Preise werden minutengenau kalkuliert, Lagerplatz optimiert und die Customer Journey personalisiert.
  • Die Umsätze lassen sich steigern und Abschreibungen verringern.
  • Die Qualität der Entscheidungen wird verbessert und Entscheidungen können automatisiert
  • Durch präzise Prognose-Modelle über zukünftige Entwicklungen wird mehr Planungssicherheit hergestellt
  • Für die Kunden gewinnt der stationäre Handel an Attraktivität.

Unternehmen im stationären Handel, die Machine Learning einsetzen, arbeiten darüber hinaus an einer Strategie, die auf Datenauswertung und KI (Künstliche Intelligenz) setzt. Eine solche Strategie ermöglicht es dem stationären Handel in Zeiten immer stärker werdenden Konkurrenzkampfes, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Da die Entwicklung in diesem Bereich sich gerade noch in einer frühen Phase befindet, können sich innovative Unternehmen sogar die Führungsposition in ihrem Bereich sichern.

Autor:innen

Michaela Tiedemann

Michaela Tiedemann ist seit den jungen Startup Tagen der Alexander Thamm GmbH mit im Team. Sie hat die Entwicklung vom schnelllebigen, spontanen Startup hin zum erfolgreichen Unternehmen aktiv mitgestaltet. Mit der Gründung einer eigenen Familie begann für Michaela Tiedemann dann parallel dazu ein ganz neues Kapitel. Den Job an den Nagel zu hängen, kam für die frisch gebackene Mutter aber nicht in Frage. Stattdessen entwickelte sie eine Strategie, wie sie ihre Stelle als Chief Marketing Officer mit ihrer Rolle als Mutter in Einklang bringen kann.

0 Kommentare