So funktioniert Sortimentsoptimierung im Einzelhandel mit KI

Aufgrund der komplexen Lieferketten, der sehr großen Produktsortimente und der geringen Margen, ist der Einzelhandel wohl eine der umkämpftesten Branchen überhaupt. Sowohl traditionelle Ladengeschäfte als auch E-Commerce-Anbieter erleben einen Verdrängungswettbewerb. Die einzige Möglichkeit, an der Spitze zu bleiben, besteht in der kontinuierlichen Sortimentsoptimierung und Verbesserung der Geschäftsabläufe.

Einer der Schlüsselfaktoren, den Einzelhändler kontrollieren können, um sich von ihren Mitbewerbern abzuheben, ist ihr Produktsortiment. Mithilfe von Advanced Analytics und KI können Einzelhändler bessere Entscheidungen darüber treffen, welche Produkte sie an ihren Standorten verkaufen sollten, und die Sortimente an die lokalen Kundenpräferenzen und unterschiedlichen Ladengrößen anpassen.

Unser Ansatz zur Sortimentsoptimierung im Einzelhandel

Unser Ansatz basiert auf einem fünfstufigen Prozess:

  1. Die Quantifizierung des Cross-Selling-Effekts zwischen Produkten
  2. Die Quantifizierung der Ähnlichkeit / Einzigartigkeit von Produkten
  3. Das Verständnis darüber, welche Faktoren eines Produkts für eine erhöhte Nachfrage sorgen
  4. Die Vorhersage der Produktnachfrage
  5. Die Optimierung des Sortiments

Quantifizierung des Cross-Selling-Effekts zwischen Produkten

Wir beginnen mit einem Beispiel
Super-fresh, eine nordamerikanische Supermarktkette, die zum Lebensmitteleinzelhändler A&P gehört, hat viele ihrer umsatzschwachen Trockenprodukte ausgelistet, um das Angebot an Frischwaren zu erweitern. Die ausgelisteten Produkte erwiesen sich für die Kunden allerdings als unverzichtbar. Als sie diese Produkte also nicht mehr finden konnten, kauften sie woanders ein, was die Unternehmensperformance stark beeinflusste – bis hin zum Konkurs.

Bislang orientieren sich Einkaufsleiter an einfachen Leistungskennzahlen wie Verkaufs- oder Rotationszahlen, in Verbindung mit ihrer langjährigen Erfahrung in diesem Berufsfeld, um zu entscheiden, ob sie ein neues Produkt in das Sortiment aufnehmen oder ein schlecht verkauftes Produkt auslisten sollten.

Allerdings bieten diese einfachen Kennzahlen mittlerweile nicht mehr genug Informationen, um zu entscheiden, ob ein Produkt ausgelistet werden sollte. Die isolierte Betrachtung der Performance eines Produkts berücksichtigt nicht den Cross-Selling-Effekt, den Produkte untereinander haben.

Sortimentsoptimierung im Einzelhandel mit KI und Advanced Analytics kommt seit einigen Jahren vermehrt zum Einsatz, um das Verhalten der Kunden besser zu verstehen und den Cross-Selling-Effekt zwischen Produkten zu quantifizieren. Dies geschieht in der Regel durch die Analyse aller historischen Kauftransaktionen, die von POS-Systemen (Point of Sale) stammen, und die Bestimmung des gemeinsamen Auftretens von Produktpaaren.

Für Einzelhändler ist es wichtig zu verstehen, was passiert, wenn ein Kunde nicht das Produkt findet, das er sucht. Wird er ein anderes, ähnliches Produkt wählen? Oder wird er gänzlich woanders einkaufen?

Quantifizierung der Ähnlichkeit & Einzigartigkeit

Auch wenn einige Produkte für sich genommen keine herausragenden Leistungszahlen aufweisen, können sie Schlüsselfaktoren sein, um Kunden in den Laden zu bringen, die durch die Suche nach diesen einzigartigen Produkten motiviert sind. Auf der anderen Seite gibt es Produkte, die Kunden leicht durch ähnliche Produkte ersetzen können. Dies ist der so genannte „Kannibalisierungseffekt“ zwischen Produkten, der auftritt, wenn Kunden keine eindeutige Präferenz zwischen zwei ähnlichen Produkten haben.

Einzelhändler können die Sortimentsoptimierung mit KI und Advanced Analytics dazu nutzen, den Kannibalisierungseffekt zwischen Produkten und deren Einzigartigkeit zu quantifizieren und so ihren Listungs- und Auslistungs-Prozess zu optimieren.

Die Einzigartigkeit von Produkten wird berechnet, indem die Cross-Selling-Beziehung zwischen Produkten analysiert wird. Zum Beispiel sind Produkte ähnlich, wenn sie sich in ähnlichen Warenkörben befinden. So würden Milch A und Milch B als ähnlich angesehen, wenn die Produkte, die typischerweise zusammen mit ihnen gekauft werden, ebenfalls ähnlich sind. Mithilfe eines Ähnlichkeits-Scores zwischen allen Produkten im Sortiment können Einzelhändler die Einzigartigkeit eines Produkts dadurch bestimmen, wie viele ähnliche Produkte im Sortiment vorhanden sind.

Welche Produktfaktoren sorgen für eine erhöhte Nachfrage?

Neue Produkte stellen eine weitere schwierige Herausforderung dar, da es keine historischen Verkaufsdaten gibt, auf denen eine verlässliche Prognose zur Abschätzung der Verkaufsleistung des Produkts basieren kann. Das ist das so genannte “Kaltstart“-Problem.

Die Sortimentsoptimierung mit KI und Advanced Analytics hilft Einzelhändlern auch bei der Lösung dieser Herausforderung. Einzelhändler verfügen über große Datenmengen, die ihnen helfen zu verstehen, welche Produktattribute für Kunden am wichtigsten sind und was ihre Kunden tun werden, wenn sie ihre bevorzugten Produkte nicht finden.

Vorhersage der Nachfrage

Durch KI-Tools können moderne Einzelhändler nun die Nachfrage von Produkten abschätzen, um die vielversprechendsten Produkte auf der Grundlage von Ladenmerkmalen auszuwählen. Diese Nachfrageprognosen werden auch unter Berücksichtigung des gesamten Sortiments und der Zusammenhänge zwischen den Produkten getroffen. Dabei werden die Einzigartigkeit der Produkte und die Kannibalisierungseffekte erfasst, die auftreten, wenn ein neues Produkt in das Sortiment aufgenommen wird, da ein Teil der Nachfrage des Produkts übertragen wird, wenn ein neues, ähnliches Produkt gelistet wird.

Sortimentsoptimierung mit KI ist die Zukunft

Die Optimierung des Sortiments ist ein kontinuierlicher Prozess, der nie ganz abgeschlossen ist. Daher ist es wichtig, dass Einzelhändler eine Kultur entwickeln, um Advanced Analytics langfristig bei der Entscheidungsfindung einzusetzen.

Um zu entscheiden, ob ein bestimmtes Produkt in das Sortiment aufgenommen oder aus dem Sortiment genommen werden sollte, wird eine Analyse über mehrere Dimensionen hinweg durchgeführt.

  • Die wirtschaftliche Leistung des Produkts
  • Die Einzigartigkeit, Cross-Selling- und Kannibalisierungseffekte zwischen Produkten
  • Überlegungen zur Lieferkette
  • Strategische Ziele

Durch das Auslisten von Produkten wird die Sortimentskomplexität reduziert und die Marge verbessert. Die meisten Auslistungen sind jedoch durch die Einführung neuer Produkte motiviert, da die Ladenfläche begrenzt ist.

Das Sortiment einer Filiale muss als eine sich entwickelnde Einheit betrachtet werden, die sich kontinuierlich an neue Produkte und Kundenpräferenzen anpassen sollte, wobei die Kosten der Lieferkette zu berücksichtigen sind und die Ausrichtung an umfassenderen strategischen Zielen. Diese strategischen Ziele könnten zum Beispiel ein höherer Anteil an Bio-Produkten oder mehr glutenfreie Produkte im Sortiment sein.

Von grob nach fein

Der Sortimentsoptimierungsprozess ist ein mehrstufiger Prozess, der zunächst auf der Ebene der Kategorien stattfindet.

In einem ersten Schritt wird die Fläche pro Filiale nach Kategorien aufgeteilt, indem ihr Grenzbeitrag pro Meter analysiert und anhand des Trade-offs zwischen den verschiedenen Produktkategorien optimiert wird.

In einem zweiten Schritt erfolgt die Optimierung innerhalb der Kategorien, wo ein optimales Gleichgewicht zwischen ähnlichen Produkten und einzigartigen Produkten erreicht wird. Das Ziel der kategorieinternen Sortimentsoptimierung ist es, die beste Mischung aus ähnlichen und einzigartigen Produkten zu finden, sodass der Umsatz des Geschäfts unter Berücksichtigung von Lieferketten und strategischen Zielen maximiert wird.

Das Hauptkonzept der kategorieinternen Optimierung besteht darin, dass es wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, viele ähnliche Produkte in derselben Kategorie zu haben, die um den begrenzten Regalplatz konkurrieren. Der Platz sollte besser Produkten zugewiesen werden, die eine höhere „Einzigartigkeit“ und einen Cross-Selling-Effekt haben, wodurch die Breite des Sortiments erhöht und gleichzeitig die Überschneidung zwischen Produkten reduziert wird.

Vorteile der Sortimentsoptimierung im Einzelhandel

Änderungen am Sortiment haben einen großen Einfluss auf die gesamte Lieferkette. Faktoren wie die Kosten für die Bereitstellung des Produkts, bei denen die End-to-End-Logistikkosten berechnet werden, helfen bei der Bestimmung optimaler Sortimente, die die gesamte Lieferkomplexität und die Kosten reduzieren.

Ein weiterer wichtiger Vorteil eines optimierten Sortiments ist die Sicherstellung einer optimalen Raumaufteilung entsprechend der Filialeigenschaften und der lokalen Kundenpräferenzen.

Mithilfe innovativer Prognosemethoden können Einzelhändler das optimale Sortiment für jede Filiale unter Berücksichtigung der lokalen Filialmerkmale ermitteln und herausfinden, welche Faktoren sich auf die Verkaufsleistung der Produkte auswirken. So können Einzelhändler die Produkte auswählen, die am besten zu den lokalen Merkmalen, den Kundenpräferenzen, den Faktoren der Lieferkette und den strategischen Zielen passen.

Fazit

Die richtige Sortimentsgestaltung ist für Einzelhändler entscheidend. Optimierte Sortimente führen zu Verbesserungen in vielen Bereichen des Geschäfts. Nicht nur der Umsatz wird durch ein besseres Produktsortiment gesteigert, sondern auch die reduzierten Kosten in der Lieferkette und damit höhere Produktmargen wirken sich letztendlich stark auf den Gewinn des Unternehmens aus.

Eine tiefere Einführung dazu, welche Vorteile KI für den Einzelhandel und den E-Commerce bringt, erhalten Sie in unserem Retail Whitepaper. Hier erklären wir die wichtigsten Begriffe, die Sie kennen müssen, und stellen Anwendungsbereiche sowie echte Use Cases aus unseren Kundenprojekten vor.

Spannende Retail Kundenprojekte

Autor:innen

Dr. Jose Manuel Berutich Lindquist

Jose Manuel holds a PhD in Artificial Intelligence and has been working as a Data Scientist for the past 10 years focusing on forecasting, deep learning and complex optimization problems for the retail, manufacturing and electricity industries.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert